Mehrere Bibelstellen verweisen auf den ersten Blick auf ewiges Leiden in der Hölle nach dem Tod. Eine dieser Stellen wird hier im Detail beleuchtet.
Der Bibeltext
Markus 9,42-50 (Schlachter)
42 Wer aber einem der Kleinen, die an mich glauben, Anstoß [zur Sünde] gibt, für den wäre es besser, daß ein Mühlstein um seinen Hals gelegt und er ins Meer geworfen würde. 43 Und wenn deine Hand für dich ein Anstoß [zur Sünde] wird, so haue sie ab! Es ist besser für dich, daß du als Krüppel in das Leben eingehst, als daß du beide Hände hast und in die Hölle fährst, in das unauslöschliche Feuer, 44 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. 45 Und wenn dein Fuß für dich ein Anstoß [zur Sünde] wird, so haue ihn ab! Es ist besser für dich, daß du lahm in das Leben eingehst, als daß du beide Füße hast und in die Hölle geworfen wirst, in das unauslöschliche Feuer, 46 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. 47 Und wenn dein Auge für dich ein Anstoß [zur Sünde] wird, so reiß es aus! Es ist besser für dich, daß du einäugig in das Reich Gottes eingehst, als daß du zwei Augen hast und in das höllische Feuer geworfen wirst, 48 wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt. 49 Denn jeder muß mit Feuer gesalzen werden, wie jedes Opfer mit Salz gesalzen wird. 50 Das Salz ist etwas Gutes; wenn aber das Salz salzlos wird, womit wollt ihr es würzen? Habt Salz in euch und haltet Frieden untereinander!
Worte wie „unauslöschliches Feuer“, „Hölle“ und „Feuer, das nicht erlischt“ rufen in uns allerlei Erinnerungen an Predigten hervor, die wir gehört haben. Sofort assoziieren wir diese Dinge, aufgrund der Lehre, die wir in der Vergangenheit gehört haben, mit ewiger Qual in der Hölle. Um zu verstehen, was Jesus mit diesen Worten gemeint hat, müssen wir versuchen, diese Worte durch die Ohren der ursprünglichen Zuhörer zu verstehen. Wie haben sie diese bildliche Sprache verstanden und was haben sie damit assoziiert? Darum soll es in diesem Artikel gehen.
Hölle oder Gehenna
Das Wort Hölle gibt es im griechischen Text nicht. Mehrere unterschiedliche Worte, mit unterschiedlichen Bedeutungen werden leider im Deutschen oft mit Hölle übersetzt. Das griechische Wort, welches hier verwendet wird, ist das Wort Gehenna.
Gehenna ist kein Ort im Jenseits, sondern ein realer Ort, den Sie bis heute besuchen können. Sie können sich sogar Bilder der „Hölle“ in Google Maps anschauen. Gehenna hat eine reiche Geschichte im Alten Testament (AT). Die einzige Möglichkeit, die Worte Jesu richtig zu verstehen, besteht darin, zu überprüfen, was das AT über Gehenna sagt.
Gehenna ist eine Transliteration des „Tals der Söhne von Hinnom“. Für Juden war Gehenna / Hinnom mit Sünde und Gericht verbunden, weil es der Ort war, an dem König Ahas (2 Chr 28, 3) und König Manasse (2 Chr 33, 6) ihre eigenen Söhne als Opfer für Moloch verbrannten.
Insbesondere Jeremia und Jesaja haben das Verständnis von Gehenna im AT geprägt. In ihren Schriften ist Gehenna ein Ort des Schlachtens (Jer 7: 31-32; 19: 6 + 11-14 – Anmerkung: Topheth ist ein Ort im Tal von Hinnom) und des Feuers (Jes 30:33). Dadurch wurde Hinnom ein Ort feurigen Gerichts. Es war der Ort, an dem die toten Israeliten gestapelt wurden, nachdem die Babylonier Jerusalem erobert hatten (Jer 7: 31-33; 19: 2-13). Aber im gesamten AT ist Gehenna nie mit einem ewigen Gericht im Jenseits verbunden, sondern mit einem bevorstehenden Gericht in dieser Welt (z. B. der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier).
Ungefähr zur Zeit Jesu etablierte sich ein zweites Verständnis von Gehenna. Manche jüdische Rabbiner lehrten Gehenna als einen Ort im Jenseits, der als eine Art Fegefeuer diente. Es war ein Ort, an dem die Leute für ihre Sünden sühnen mussten. ABER dieses Verständnis beschrieb ein zeitlich begrenztes Gericht und keine ewige Strafe. Nach diesem Verständnis war Gehenna ein Ort der Reinigung von Sünde.
Unauslöschliches Feuer
Jesus verbindet Gehenna mit „unauslöschlichem Feuer“ (Mk 9,47-48). Was verbanden die Juden mit unauslöschlichem Feuer? Im AT finden wir viele Hinweise auf unauslöschliches Feuer. Jerusalem wurde etwa von den Babyloniern mit unauslöschlichem Feuer niedergebrannt (Jer 21,10-12). Als Hesekiel das Kommen der Babylonier prophezeite, sagte er, dass der gesamte Negev (südlicher Teil Israels) von unauslöschlichem Feuer verbrannt werden wird (Hes 20,47-48). Amos spricht von unauslöschlichem Feuer als einem nationalen Urteil über das Nordreich durch die Assyrer (Amos 5,5-6). Jesaja benutzte es, um das nationale Urteil über Edom zu beschreiben (Jes 34,10). Brennt einer dieser Orte bis heute? Offensichtlich nicht! „Unauslöschliches Feuer“ hatte nichts mit ewiger Bestrafung zu tun, sondern drehte sich um ein unmittelbar bevorstehendes Gericht in dieser Welt.
All dies war wahrscheinlich in den Köpfen der Juden, die Jesus zuhörten. Als Jesus Begriffe wie Gehenna und unauslöschliches Feuer verwendete, kam ihnen die Idee der ewigen Bestrafung höchstwahrscheinlich nie in den Sinn. Stattdessen erinnerten sie sich wahrscheinlich an die Schrecken der Zerstörung Jerusalems durch die Hände der Babylonier. Und ich denke, genau das wollte Jesus mitteilen. Seine Botschaft war nicht, dass der bußunwillige Sünder für immer in der Hölle bestraft wird. Seine Botschaft war eine klare Warnung an die Israeliten seiner Zeit: Wenn ihr nicht umkehrt und meinem Weg der Liebe folgt, dann wird es euch ebenso ergehen wie euren Vorfahren bei der Zerstörung Jerusalems.
Und genau so kam es. Die Israeliten haben nicht Buße getan und sind nicht der Lehre Jesu gefolgt. Sie wählten den Weg der Gewalt und der Rebellion und genau das, wovor Jesus sie warnte, geschah: 70 n. Chr. zerstörten die Römer Jerusalem, brannten es nieder und Josephus weist darauf hin, dass alle Leichen in das Tal von Hinnom geworfen wurden, es war einer der schlimmsten Zeiten in der Geschichte der Juden.
JEDER muss mit Feuer gesalzen werden
Wie können wir nun die Worte Jesu mit diesem Hintergrundwissen im Kopf verstehen? Hat Jesus hier vor einem kommenden Gericht in dieser Welt gewarnt oder vor einem Ort der Reinigung im Jenseits?
V.49-50 geben uns hilfreiche Andeutungen für das Verständnis des Textes. Jesus betont, dass ALLE MENSCHEN mit diesem Feuer gesalzen werden müssen! Wenn es in diesem Text um ein ewiges Höllenfeuer ginge, dann müsste man das konsequent auslegen und zu dem Schluss kommen, dass alle Menschen ewiglich in die Hölle kommen.
Weiterhin ist zu beachten, dass Jesus dieses Feuer/Salz als GUT bezeichnet. Dies deutet darauf hin, dass Jesus das Bild des Feuers verwendet, um Gottes wiederherstellendes Gericht zu predigen. Jesus hat offenbart, dass Gottes Gerechtigkeit ultimativ wiederherstellend und nicht vergeltend ist. Einen detaillierten Artikel dazu finden Sie HIER.
Dies passt zu dem Verständnis der ersten Christen, dass Gottes Feuer reinigend ist. Sie beschrieben Gottes feuriges Gericht als einen Prozess der Reinigung und Läuterung, der ultimativ zur Buße und der damit verbunden Errettung führt.
Der große Kirchenvater Origenes hat Gottes feuriges Gericht als zahllose Äonen der Läuterung und Reinigung verstanden, aber das Endziel war immer die Versöhnung mit Gott.
Gregor von Nyssa hat gelehrt, dass das Feuer des Gerichts reinigt von aller sündigen Natur. Es ist ein schmerzhafter Prozess, aber das Endziel ist Reinigung und nicht Folter oder Vernichtung. Demnach ist dieses reinigende Gericht nicht mit der Idee des Fegefeuers gleichzusetzen, weil das (katholische) Fegefeuer ein vergeltendes Handeln Gottes ist.
Selbst Augustinus, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass wir heute an eine ewige Hölle glauben, musste zugeben, dass im 4 Jh. nach Christus noch SEHR VIELE Christen nicht an endlose Qualen geglaubt haben. Und er gibt sogar zu, dass dieser Glaube möglich ist, ohne die Schrift zu verleugnen. Damit wird klar, dass bis ins 4 Jh. SEHR VIELE Christen geglaubt haben, dass Gott alle Menschen ultimativ retten und nicht ewig quälen wird.
Fazit: All dies deutet darauf hin, dass Jesus in unserem vorliegenden Text die Ernsthaftigkeit der Sünde betont hat, indem er auf das zukünftige Gericht Gottes hingewiesen hat. Aber dieses Gericht Gottes ist keinesfalls ewig, sondern viel mehr zeitlich begrenzt und hat nicht Rache als Motivation, sondern die Reinigung und Wiederherstellung von Gottes geliebter Schöpfung.
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