Kaum ein Thema hat so viele Menschen verängstigt wie die Hölle. Unzählige Menschen tragen das Bild eines ewigen Feuers in sich, in dem Gott die Sünder für immer quält. Und tatsächlich: Wer die Worte Jesu liest, stößt immer wieder auf das Bild des Feuers. Man könnte fast meinen Jesus habe eine düstere Vorliebe für Höllenpredigten. Doch was meinte er, wenn er vom Feuer sprach?
In Markus 9,43–48 klingt es tatsächlich so, als warne Jesus eindringlich vor einem ewigen Höllenfeuer. Aber dann, fast überraschend, folgt in Vers 49 ein Satz, der das ganze Bild wendet: „Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden.“
Ein merkwürdiger Satz, nicht wahr? Salz und Feuer in einem Atemzug. Offenbar will Jesus das Wesen dieses göttlichen Feuers erklären – und er tut es, indem er es mit Salz vergleicht. Wenn wir verstehen wollen, was Jesus über das Feuer des Gerichts lehrt, müssen wir verstehen, was Salz in seiner Welt bedeutete.
Die Bedeutung von Salz zur Zeit Jesu
Salz war in der Welt Jesu ein alltägliches, aber bedeutungsvolles Element. Es war weit mehr als ein Gewürz für die Küche. Salz hatte mehrere Funktionen – und jede von ihnen hilft uns, Jesu Worte in Markus 9,49 besser zu verstehen.
Zuerst war Salz ein Konservierungsmittel. In einer Zeit ohne Kühlschränke schützte es Speisen vor dem Verderben. Es bewahrte das Gute davor, faul zu werden. Wenn Jesus also sagt, dass jeder „mit Feuer gesalzen“ wird, klingt darin etwas vom Schutz vor moralischer und geistlicher Verderbnis mit. Gottes Feuer bewahrt die Schöpfung, indem es alles entfernt, was sie zerstören würde.
Zweitens spielte Salz eine entscheidende Rolle im Tempel und in den Opfern. In 3. Mose 2,13 (BB) heißt es: „Du sollst alle deine Speiseopfer salzen. Dieses Salz steht für den Bund mit deinem Gott.“ Das Salz symbolisierte also Bundestreue – sowohl die Treue des Menschen zu Gott als auch, noch viel wichtiger, die Treue Gottes zu seinem Bund mit den Menschen. Wenn Jesus sagt, dass alle Menschen „mit Feuer gesalzen“ werden, dann ist das keine Drohung, sondern ein Ausdruck göttlicher Hoffnung. Es bedeutet: Gott bleibt seinem Bund treu. Er gibt die Menschen nicht auf, auch wenn sie untreu werden. Das göttliche Feuer ist also Ausdruck seiner Bundestreue. Es ist Gottes Art zu sagen: Ich lasse dich nicht los, bis du heil bist. Sein Feuer durchdringt und verwandelt – nicht, weil er uns bestrafen will, sondern weil er uns zu dem wiederherstellen will, wofür wir geschaffen sind. Dieses Feuer der Liebe arbeitet unaufhörlich daran, die ganze Schöpfung von Schuld und Verderbnis zu reinigen, bis sie wieder im Glanz seiner Herrlichkeit erstrahlt.
Drittens war Salz ein Würzmittel, das Geschmack verlieh. Etwas, das fade oder ungenießbar war, wurde durch Salz angenehm. Auch das passt wunderbar in Jesu Bild: Gottes Feuer ist nicht dazu da, uns zu vernichten, sondern uns zu verwandeln – aus „unschmackhaften“ Sündern sollen Menschen werden, die wieder das Aroma des Himmels tragen.
Und schließlich hatte Salz auch medizinische Bedeutung. Es wurde verwendet, um Wunden zu reinigen und zu desinfizieren. Wer schon einmal Salz auf eine Wunde bekommen hat, weiß, dass es brennt. Aber es ist ein heilendes Brennen. Genau so ist Gottes Feuer: Es schmerzt, aber es heilt. Es brennt nicht, um zu vernichten, sondern um zu reinigen.
So zeichnet Jesus in diesem Vers ein völlig anderes Bild vom Feuer Gottes, als es viele Höllenpredigten vermitteln. Das göttliche Feuer ist kein ewiges Folterinstrument, sondern sein reinigendes und wiederherstellendes Gericht – genährt von seiner Liebe, die so heilig ist, dass sie alle Sünde verzehrt, die seine Schöpfung zerstört.
Diese Deutung des Verses wird auch durch den nächsten Satz bestätigt: „Salz ist gut.“ (V. 50) Das göttliche Feuer, von dem Jesus spricht, ist also nichts Böses oder Willkürliches – es ist gut. Es ist Gottes heiliges Werkzeug, um seine Schöpfung zu reinigen, zu heilen und letztlich zu erlösen.
Das Feuer, das heilt und versöhnt
Wenn wir an das Feuer des Gerichts denken, dürfen wir nicht an ein Fegefeuer oder Folter mit echtem Feuer denken. Gottes Gericht ist kein sadistischer Akt, sondern eine Begegnung mit der Wahrheit und der Liebe selbst. Wenn Gott richtet, dann, um Gerechtigkeit wiederherzustellen und um zu heilen.
Sein Feuer offenbart, wer wir wirklich sind. Ich stelle mir vor, dass Gott uns unser Leben durch seine Augen sehen lässt – klar, unverblümt, ohne Ausreden. Wir werden erkennen, wo wir anderen geschadet, wo wir gelogen, wo wir uns selbst betrogen haben. Diese Erkenntnis wird schmerzhaft sein, vor allem für diejenigen, deren Leben eng mit Sünde und Ungerechtigkeit verwoben war. Aber es ist ein heilender Schmerz – wie das Brennen des Salzes auf einer Wunde.
Dieses göttliche Feuer wird echte Reue wecken, die uns verändert. Wir werden die Wahrheit sehen, Mitgefühl empfinden, und den Wunsch verspüren, wieder gutzumachen, was wir zerstört haben. Dies wird zur Versöhnung führen – zwischen uns und Gott, zwischen Menschen, und schließlich zwischen Gott und seiner gesamten Schöpfung.
Darum sagt Jesus: „Alle werden mit Feuer gesalzen werden.“ Das betrifft Christen und Nichtchristen gleichermaßen. Niemand bleibt außerhalb dieses reinigenden Wirkens. Gottes Bundestreue gilt allen. Durch sein heiliges Feuer wird er erreichen, was er sich vorgenommen hat: die vollständige Versöhnung und Wiederherstellung seiner Schöpfung.
Wenn Jesus also vom Feuer spricht, sollten wir nicht zuerst an ewige Verdammnis denken, sondern an Gottes heilige Liebe, die alles verzehrt, was zerstört, damit am Ende nur das bleibt, was wahr, gut und schön ist.
Schon die Kirchenväter haben das reinigende Feuer Gottes gepredigt
Am Ende steht keine ewige Qual, sondern Wiederherstellung und Versöhnung. Das Feuer Gottes ist kein Symbol für Hoffnungslosigkeit, sondern für Hoffnung selbst. Es zeigt, dass Gott seine Schöpfung niemals aufgibt. Er ist entschlossen, alles zu reinigen, zu heilen und zu versöhnen – bis nichts Verdorbenes, kein Hass, keine Schuld mehr übrig bleibt.
Diese Sicht ist keine moderne Idee, sondern reicht tief in die Geschichte der Kirche zurück. Schon viele der frühen Kirchenväter sahen in Gottes Feuer kein Werkzeug der ewigen Strafe, sondern der Läuterung und Heilung.
Schon Gregor von Nyssa sagte:
Wie nämlich diejenigen, welche die dem Golde beigemischte Schlacke in reinigendem Feuer ausscheiden wollen, nicht bloß das Unreine, sondern mit unausweichlicher Notwendigkeit auch das Gold im Läuterungsfeuer zur Schmelze bringen, und wie dabei das edle Metall erhalten bleibt, alles Unedle aber verzehrt wird, so muß auch das Böse nach einem Gesetz der Notwendigkeit durch ein Reinigungsfeuer verzehrt werden; hiebei muß aber auch die Seele so lange im Feuer aushalten, bis die beigemischte unechte Schlacke und unsaubere Materie im Feuer ganz verbrannt ist. (Dialogus de anima et resurrectione 13.2.)
Und an einer anderen Stelle sagt er:

Und Origenes hat gepredigt:

Und Irenäus von Lyon, einer der frühesten Kirchenväter, hat gelehrt:

Fazit
Wenn wir Jesu Worte so verstehen, dann verwandelt sich das Bild vom Feuer grundlegend. Es ist nicht länger das Ende, sondern der Anfang von etwas Neuem. Es ist das Feuer der Liebe, das alles Unreine verzehrt, damit das Wahre und Gute leuchten kann.
Vielleicht ist das die gute Nachricht, die in Jesu Worten verborgen liegt: Gott ist treu. Er wird uns und seine gesamte Schöpfung durch sein Feuer hindurchführen – nicht um uns zu zerstören, sondern um uns heimzubringen.
Das ist das Feuer, das heilt.

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